Wir müssen in die Hauptstadt. Die Frage ist nun: Nehmen wir den Zug oder ein Sammeltaxi nach Tunis? Zug ist billiger, hat Klimaanlage und Toilette und man kann herumgehen, dauert aber länger. Sammeltaxi ist heiß, fast immer ohne Klimaanlage, minimal teurer, dafür schneller. Das sind die Pro und Contra-Argumente. Wir entscheiden uns am Abend für das Sammeltaxi; losfahren wollen wir so gegen 15 h am nächsten Tag. Doch am nächsten Mittag wird es dann so extrem heiß, dass wir in der Gluthitze von 45° keinen Schritt nach draußen machen wollen und disponieren um: wir fahren abends! Denn es geht nur ein Zug am Tag, nämlich um 22 Uhr.
Von Tozeur über Gafsa nach Sfax und weiter über Sousse, Nabeul nach Tunis. 10 Stunden. Aber natürlich 1. Klasse, „Premiere“!
Wir sind zeitig am Bahnhof, holen uns noch einen „Direct“ (Capuccino-ähnlich) und einen Capusin (Mocca mit Milch). Fast nur Männer jüngeren und mittleren Alters warten am Bahnsteig. Haben wir eine Platzreservierung? Nee, gibts nicht.
Ich bin gespannt, wie das Einsteigen hier in Tunesien abläuft. Denn eines der beeindruckendsten Erlebnisse in Ägypten war einmal die Ankunft eines Zuges aus Alexandria in Kairo (mit dem wir auch Richtung Assuan mitfahren wollten). In Ägypten hat jede Fahrkarte automatisch eine Platzreservierung. Angst, keinen Platz zu bekommen, ist daher völlig überflüssig. Dennoch lief das Ganze unglaublich idiotisch ab: Die Leute, die am Bahnsteig standen, wollten zuerst einsteigen. Das konnten sie aber nicht, weil ja alle Leute, die aussteigen wollten, im Weg standen. Teilweise mußten die Aussteigewilligen ihre Koffer und Taschen über die Köpfe der Hinein-Drängler hinweg mit Schwung auf den Bahnsteig schleudern. Ich konnte es kaum fassen, wie dämlich das zuging. Wie gesagt: mit Platzreservierung!! Danach wußte ich, warum der Zug zwar pünktlich losfuhr, dann aber mit 2 Stunden Verspätung ankam. Denn durch diese Idiotie ging selbstredend an jeder Station eine Menge Zeit drauf.
Einen wirklichen Vergleich bekomme ich heute nicht, denn niemand steigt aus.
Und wir sind beim Einsteigen etwas zu langsam und bekommen erstmal gar keinen Platz und dann nur getrennte Plätze. Erst nach einer Weile können wir tauschen und nebeneinander sitzen. Offensichtlich gibt es zu wenig Plätze, denn immer mal wieder hört man die beiden Kontrolleure schreien, fluchen und lautstark für Ordnung sorgen.
Sie gehen immer zu zweit und das ist auch gut so, denn so impulsiv, wie hier gestritten wird, muß man als Ordnungskraft schon Präsenz zeigen. Zimperlich sind sie nicht: Auch die Mutter eines 2 Monate alten Babys, die sich mit einem 2. Klasse-Ticket in die „premiere“ geschmuggelt hat, wird angeschnauzt und muß nachzahlen.
Unter „premiere + comfortable“ habe ich mir, ehrlich gesagt, was anderes vorgestellt. Nicht unbedingt eine deutsche erste Klasse als Maßstab, aber es ist eng, laut und die Klimaanlage geht irgendwie wellenartig. Dann jedoch mit Duft. Es dauert, bis ich das schnalle. Es geht immer mal wieder die Abteiltüre neben uns auf und ich denke, da ist einer vorbeigegangen, der sich auf der Toilette frisch parfümiert hat und neben frischer kühler Luft eine Duftwolke mit sich mitzieht. Nicht ganz abwegig, denn hier parfümieren sich schon die kleinen Jungs für die Vorschule und das nicht zu knapp. Doch irgendwann geht niemand mehr vorbei und es wabern trotzdem kühle Duftwellen durchs Abteil. Wenns nicht aufdringlicher wird, darf das gerne so bleiben, denke ich. Hauptsache, die Kühlung fällt nicht aus. Und besser als die grausligen Gestanksfahnen, die jetzt im Sommer von Müllhalden oder Müllautos wehen.
Auf dem mittleren Vierersitz döst eine Familie. Der kleine Sohn muß mal und Papa geht mit ihm. Als sie zurück kommen, springt der Knabe munter voraus und mit Schwung auf Papas Sitz, doch dieser kippt weg. Papa kann ihn grade noch festhalten. Auch unsere Sitze sind nicht fest: wenn man sich vorbeugt, um etwas aus der Tasche zu holen, klappt der Sitz vorne runter und hinten nach oben. Er liegt quasi nur locker oben drauf.
Apropos Tasche: Die Gepäckablage ist der Hammer! Mindestens 50% der Querstäbe sind nicht vorhanden. Wie kann das sein? Haben die Franzosen hier früher ihren Turnunterricht abgehalten? Denn, natürlich, in Tunesien ist der Zug nicht Marke Eigenbau. Vielmehr fanden die Franzosen bei Tozeur die riesigen Phosphatvorkommen und dann hieß es eben: „Gebt uns euer Phosphat und ihr bekommt dafür ein Eisenbahnnetz“. Doch herablassend-arroganter könnte es kaum ablaufen. Tunesien bekam die Eisenbahn, aber was für eine! Heruntergekommene ausrangierte Waggons, die in Frankreich nicht mehr zumutbar waren. Ganz so wie jetzt werden sie aber trotzdem nicht ausgesehen haben. Wer letztendlich die Einrichtung demoliert hat, kann ich natürlich nicht sagen. Vielleicht waren es wütende Rebellen im „Arabischen Frühling“ oder anderweitig Frustrierte. Auf alle Fälle kaum kompatibel mit „premiere“.
Mit der Ruhe in der angeblichen 1. Klasse ist es auch so eine Sache bei den Arabern. Irgendein Handy klingelt immer. Mittlerweile ist es 2h nachts und ich frage mich, was es um diese Uhrzeit so wichtiges zu besprechen gibt – im Zug! Ich bezweifle, dass ich hier ein Auge zu tun werde, also am besten gar nicht erst versuchen, dann gibts keine enttäuschten Hoffnungen.
Die Tür neben uns führt außerdem in die Bar. Die ist zwar nicht bewirtschaftet, fungiert aber trotzdem als Treffpunkt für die Raucher. Natürlich geht die Tür ständig auf und zu, manchmal bleibt sie auch offen, dann dröhnt das Gegröle ungemindert durch das Abteil. Laut – lauter – Araber. Ruhe ist hier niemandem heilig. Ich habe schon einmal versucht, der Familie den Begriff „Ruhestörung“ zu erklären. Das war nicht einfach. Ich glaub, sie habens auch nicht wirklich verstanden. Ist einfach zu deutsch. Das Wort „Gegröle“ stimmt aber eigentlich auch nicht: denn es grölt niemand, man(n) unterhält sich ganz normal und lacht. Was aber mindestens fünf mal so laut ist wie bei nüchternen Europäern, denn Alkohol ist hier nicht im Spiel.
Ich wäre lieber tagsüber gefahren, um was von der Landschaft zu sehen. Dass ich nichts verpasst habe, merke ich, als wir etwa in Sousse sind, und die Sonne aufgeht. Die Fenster sind so verdreckt, dass man sowieso kaum etwas durchsieht. Also schon mal kein Grund, wieder mit dem Zug nach Hause zu fahren…..
Ab dem Stadtrand von Tunis hält der Zug an jeder Station und dazwischen zuckelt er in einem Schnecktempo, dass man fast neben her laufen könnte.
Um 8 h sind wir endlich am Hauptbahnhof. Zum Glück sind die Toiletten hier im Bahnhof blitzsauber. Angesichts des sonstigen Zustands des Zuges hab ichs mir verkniffen und deshalb auch kaum etwas getrunken; enge Toiletten in wackligen Zügen und Flugzeugen sind mir ein Greuel. Und wie die hier womöglich noch ausschauen mögen, wollte ich mir erst gar nicht vorstellen.
Wir feilschen noch mit dem Taxifahrer, aber alle sind gleich teuer und verlangen für die 5 km nach Berger du Lac 10 Dinar. Das zahlen wir danach auch für die 15 km von Berger du Lac (Tunis Südost) nach Manouba, Tunis-Nordwest.
Aber so isses eben, doch jetzt gibts erst mal Kaffee und Croissant mit Meerblick.
Zurück sind wir am anderen Tag übrigens mit der Louage, dem Sammeltaxi. Eine Stunde mußten wir warten, bis acht Passagiere beieinander waren. Heiß und etwas eng wars, vor allem superlaut diesmal und wir saßen direkt nebem den Lautsprechern. Aber nach 6 Stunden inklusive einer Ess-Kaffee-Pinkel-Pause waren wir wieder zu Hause.
Louage -Garage: Oben drüber mit roter Schrift stehen die Zielorte.
Hier unten noch ein Minivideo, da könnt Ihr einen der großen Louage-Plätze sehen, von wo aus diese Kleinbusse in alle Landesteile fahren.