Meine Orientküche

Gewürze auf d einen Kupfer auf der anderen Seite

Khan el Khalili in Kairo

Lange bevor ich angefangen habe, orientalisch zu tanzen, habe ich von meinen Reisen stets Kochbücher mit nach Hause gebracht, wenn es denn welche auf Deutsch gab – außer von England! Mein griechisches Kochbuch ist glaube ich mein ältestes. Nach Griechenland folgten Türkei, Syrien, Marokko, Usbekistan, Ägypten. Aus der Türkei habe ich mehrere, in Syrien (damals für Reisende aus der DDR offen, für Westler eher schwierig) gab es nichts und in Spanien (zu Franco-Zeiten) gab es welche, aber da wir mit dem Motorrad unterwegs waren und der Platz knapp war, fiel die Wahl auf andere Souvenirs. Aus Marokko kann ich nicht genug haben, in Usbekistan gab es schon nichts zu essen, geschweige denn ein Kochbuch.- na, vielleicht auf russisch ?… Auch über die ägyptische Küche gab es kein brauchbares deutsches. Daher habe ich dieses nach zahlreichen Ägyptenbesuchen dann selber geschrieben. Über Italien oder Frankreich braucht man nicht reden, Rezepte von dort gabs ja schon zu Zeiten von Käseigel und Fliegenpilz-Tomaten. Nur nicht alle Zutaten….Auberginen, Basilikum, Mozarella….wer kannte das? Sie zogen erst langsam, dann siegessicher mit den türkischen und italienischen „Gastarbeitern“ in Deutschland ein.

Im Multi-Kulti-Boom der 1980er nahm man gerne mal fremde Sitten an, zum Beispiel das Essen auf dem Boden, auf einem großen Tischtuch, das im Orient bei ärmeren Menschen auch gerne mal durch Zeitungen ersetzt wurde. Männer waren von diesem Szenario – mangels Beweglichkeit – meist weniger begeistert, Tänzerinnen hatten da natürlich kein Problem, auf dem Boden sitzend oder kniend ihre gefüllten Weinblätter in die Tahina zu stippen. Apropos gefüllte Weinblätter: Die haben mir nie wirklich gut geschmeckt, meist waren sie zu säuerlich oder die Blätter zu hart.Wara Eynab besser Bis ich in einem Restaurant einmal welche bekam, die wirklich genial waren. Ich fragte den Wirt und er gab mir Tipps für die Vorbehandlung der Blätter. Mit der Füllung experimentierte ich und mischte mehrere Rezepte zusammen mit meiner eigenen Vorliebe für etwas mildere, süßere gefüllte Weinblätter. Warra Eynab heißen sie auf Arabisch. Eynab sind die Weintrauben. So perfekt gerollt wie eine geübte türkische Köchin bekomm ich sie nicht hin, aber sie schmecken! Die gefüllten Gemüse, nicht nur die Weinblätter, von Paprika über Zucchini und Auberginen sind eigentlich eine Spezialität der Türkei. Dolme- „Gefüllte“ heißen sie alle. Aber es gibt natürlich nicht nur Auberginen a´la Imam Bayildi („der Imam ist in Ohnmacht gefallen“ – angeblich wegen der Menge an Olivenöl) sondern z. B. auch aus Sizilien leckere gefüllte Auberginen, einfach zu machen und dazu ebenfalls noch Low Carb. Ist ja auch nicht wirklich weit weg vom Orient…

Fleisch mit Obst und oder Trockenobst wird gerne in Persien und auch in Marokko gekocht. Koresht heißen die eher flüssigen Eintöpfe in Persien. Einer der beliebtesten ist Lamm mit Pflaumen und Spinat. In Marokko garen diese genialen Kombinationen in der Tadjine, dem Tontopf, von dem die Marokkaner sagen, das Essen schmecke deshalb so gut daraus, weil der Mensch ebenfalls aus Erde gemacht sei. Da gibt es ein ganz ähnliches Rezept: Lamm mit Pflaumen und Mandeln. Manchmal kombiniere ich die beiden Klassiker miteinander. Abseits der bekannten Tadjine Gerichte kann man auch viele andere Rezepte in der Tadjine probieren. Da der Eigengeschmack von allen Zutaten im Tontopf viel besser herauskommt als in anderen Töpfen, ist es sehr spannend und meistens sehr erfolgreich. Ich habe auch schon Brot in der Tadjine gebacken. Funktioniert ebenfalls.

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Tadjine-Brot

Mein Lieblingsgericht für einen Anlass mit vielen Personen ist allerdings Harira, die sogenannte marokkanische Festtagssuppe oder Ramadansuppe. Ich habe sie umbenannt in „Kulturnachtsuppe“, da ich sie jedes Jahr für die ca. 50 Tänzerinnen und HelferInnen in meinem Studio bei der Ulmer Kulturnacht gekocht habe. Auf dem Djema el Fna, dem großen Platz der Gaukler, Musiker und Schlangenbeschwörer in Marrakesch kann man sie sehr preisgünstig erhalten. Aber dann isst man sie vermutlich freiwillig kein zweites Mal, da sie eher nach simpler angedickter Tomatensuppe schmeckt, mit aufgequollenen Nudeln. Fleischeinlage? Festtagssuppe? Vielleicht im Sternerestaurant……

„Mein“ Rezept ist wirklich genial (aus dem Buch „Arabische Küche“), aber statt nur Rindfleisch nehme ich dreierlei Fleisch: Rind, Lamm und Huhn. Dazu klaue ich eine Idee von den Libyern, die eine ähnliche Suppe bereiten: ich röste das Gemüse mit einigen Suppenknochen vorher auf dem Backblech, koche das Ganze anschließend aus und seie ab. In diese – bereits leckere – Brühe kommt das Fleisch, die Tomaten, Gewürze und die anderen Zutaten.

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25 qm Küche – eine Mischung aus Ikea und Marokko, alles DIY von meinem Mann – angefangen bei den Fliesen bis hin zu gemauerten Rundbögen, die nur aussehen wie Tore, in Wirklichkeit aber Schubladen sind.

Meine Kochwerkstatt

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Zwei große Edelstahlspülen, 1 E-Herd und 1 Gasherd mit 5 Kochstellen : die Küchenhalbinsel ist aus Holz und Rigips gebaut. Endlich Platz, wenn Kinder, Enkel und „Schwiegers“ zum Essen kommen

 

 

 

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So klein wars vorher…

Wer es richtig orientalisch mag, der probiere mal die alten Rezepte aus dem Kochbuch von Al Baghdadi (nur auf englisch und arabisch). Schlemmen wie vor 1000 Jahren in Bagdad bei Sultans….Rutabeiya.Geschmortes Lammfleisch mit Rinderhackbällchen gefüllt mit Mandeln, dazu noch getrocknete Datteln, die ebenfalls mit Mandeln gefüllt werden: ein sinnliches, zimtiges Gedicht – zwingend mit wenigstens ein bißchen orientalischem Ambiente zu verspeisen.

In Syrien und Palästina ist die traditionelle Beduinenküche zu Hause. Lammfleisch, Joghurt, Brot, Datteln. Und auch so ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis wie Summak (Essigbaumgewürz) hat seinen Reiz. Am besten nachts am Lagerfeuer in der Wüste – oder auch im Allgäu oder beim Zelten am Ammersee…. Es gibt auch Rezepte, die eher nach Seltsamkeiten tönen, z.B. für ein gefülltes Kamel. Sozusagen Kuriositätenküche. Für Nicht-Steinreiche nicht wirklich realisierbar. Aber amüsant zu lesen. El Sham, d.h. die Länder Libanon, Syrien, Palästina haben eine ähnliche Küche hervorgebracht, wobei der Libanon unter französischem Einfluss die novelle cuisine arabe darstellt, doch auch Syrien hat einiges zu bieten. Leider hierzulande selten zu bekommen sind Kibbe, gefüllte speziell geformte Grieß-Hackfleisch-„bällchen“ – in Syrien wegen der Form auch „englische Bomben“ genannt. Sie erfordern einige Geschicklichkeit (Schwiegertochtertest….), sind aber megalecker. In der Originalversion ebenfalls kaum serviert bekommt man Makloub, das „Umgedrehte“, Hühnchen und Auberginen unter einer Reisdecke, gewürzt mit dem 7-Gewürz. Mmh!

Ägypten ist das Land der einfachen ländlichen, aber sehr schmackhaften Küche. In Ägypten gibt es außerhalb der großen Hotels kein Schicki-Micki-Gekoche, es ist das Land der Arme-Leute-Küche. Mit einfachen Mitteln die Familie ernähren, satt machen und dazu möglichst gesund. Außer dem Übermaß an Zucker, der in Tee, Kaffee und Gebäck genossen wird, ist die ägyptische Küche tatsächlich sehr lecker und empfehlenswert. Eines der Lieblingsessen meines Mannes ist der Spinat-Hackauflauf mit Bechamelsoße. Davon habe ich mit anderen Kohlehydratärmeren Mehlen eine sehr leckere Low-Carb Variante gebastelt. Die Mulucheiya-Suppe, quasi die „Nationalsuppe“, eine sehr eiweißreiche Suppe aus einem

spinatähnlichem Gemüse („Malta-Jute“) kann man ohne Rühren auch weniger „schlonzig“ machen (die Ägypter stehen da drauf, die Europäer weniger). Und mit viel Knoblauch und würziger Hühner- oder Kaninchenbrühe ist sie wirklich sehr lecker.

Fuul 1DAS Nationalgericht schlechthin ist aber Fuul, ein Gericht aus gekochten Favabohnen, vor allem als nachhaltig sättigendes Frühstück, aber auch zu anderen Tageszeiten. Die Variationen bestehen aus den Beilagen: Spiegeleier, gekochte harte Eier, Olivenöl, gebratener Rinderschinken (Pastirma), Oliven, Schafskäse usw. Also nicht alles auf einmal, sondern entweder oder.

In Südägypten – Nubien – gibt es wieder eine eigene Küche, darunter Hawauschi (mit gebratenem Hackfleisch gefülltes Fladenbrot) sehr lecker! Oder Tagen. Tagen ist die ägyptische Tadjine. Tagen spricht man wie es geschrieben wird, Tadjine wird ja bekanntlich Tadschien gesprochen. Das kommt daher, weil die Ägypter das arabische „dsch“ als „g“ aussprechen. Tagen ist aber mehr in Südägypten verbreitet (in Kairo weniger) und sieht auch anders aus als die marokkanische Tadjine: ein kleiner runder Tonteller, eher eine Schale mit steilen Wänden. Äußerlich nicht mit der nordafrikanischen / marokkanischen Tadjine vergleichbar und mit flachem Deckel serviert. Es gibt offiziell auch weniger Varianten: Fleischtagen, Gemüsetagen, Nubische Tagen….

Low Carb + Orientalische Küche?

Natürlich geht orientalische Küche nicht ohne Backwaren und Süßspeisen. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Originalrezepte für mich aufgrund der Zuckermenge leider ungenießbar. Und für ein kleines „Sündenstückchen“ Kuchen backe ich keinen ganzen… Auch auf die Unmengen an Brot, die im Orient gerne zum Essen gereicht werden, verzichte ich gerne.

Einiges kann man mit kalorienfreiem Xucker light weniger süß und mit Ersatzmehlen vor allem weniger „Kohlehydrathaltig“ machen. Ersatz für Mehl (wie Sojamehl) oder Grieß (wie Qinoa) aber macht eben doch einen anderen Geschmack und Blätterteig kann man kaum ersetzen. Da gibt es erst mal also keinen Low Carb Ersatz dafür. Ich bastele aber weiter.

Ich habe festgestellt, dass die meisten Orientalen auch keine größeren Mengen von diesen Zucker-Kohlehydratbomben vertragen oder wollen. Vermutlich war/ist es einfach eine Frage der Haltbarkeit, so endlos viel Zucker einzusetzen. Die Rate der Diabeteskranken ist in Ägypten übrigens an einer der höchsten Stellen weltweit. Wer sein winzig kleines Teegläschen mit 6 Teelöffeln Zucker bestückt und dies vielfach am Tag, dadurch bereits mit 20 Jahren mehr als ein „süßer Moppel“ ist, wird ziemlich sicher Diabetes, Bluthochdruck und / oder andere Ernährungsbedingte Krankheiten bekommen Müsste nicht sein: man könnte z.-B. Stevia statt Zuckerrohr anpflanzen! Stevia ist ja nicht winterhart und würde in Ägypten gut gedeien. Leider werden mehr Zuckerfabriken gebaut und noch mehr Zuckerrohr angepflanzt….An der Zuckersucht wird eben gut verdient.

Zurück zur Küche

Am liebsten experimentiere ich mit der Tadjine. Es ist eigentlich die genialste Art zu kochen. 1 Topf. Alles schön gewürzt hineingeschichtet und im eigenen Saft gegart. Nach 25-45 Min ist das Essen fertig. Man kann so gut wie alles darin garen, die Stärkebeilagen wie Kartoffeln gleich mit oder es gibt eben Brot dazu. So wie die Kartoffeln aus der Tadjine schmecken – das ist wahrhaftig der einzige Grund für einen Seitensprung in die Kohlehydratküche. Einfach fantastisch!

Ohne Salzzitrone geht gar nix

Man braucht nicht viel, denn schon ein Achtel macht aus dem Geschmack von Reis, Tomatensoße, Fisch oder Salat aus „langweilig“ ein „wow“. Salzzitronen lassen sich ganz einfach selbst herstellen und halten sich locker über ein Jahr, je älter, desto intensiver der Geschmack. Salzzitrone lässt sich durch nichts ersetzen, der Geschmack ist einzigartig.

Wappnet Euch mit Kreuzkümmel, Salzzitrone, Zimt und gemahlenem Ingwer und probiert mit mir die Düfte und Geschmäcker des Orients!

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