Mord in Lala

Ziemlich viel los für das kleine Kaff hier. Tozeur hat ja etwa 60.000 Einwohner, aber Lala ist nur ein kleiner Vorort mit Hanouts (Läden) in Garagengröße und einigen Männercafés. Sonst ist hier der Hund begraben. Trotzdem passieren relativ häufig Dinge, die eher zur Großstadt passen. Ich behaupte jetzt mal, ohne rassistisch sein zu wollen, das liegt am orientalischen Hang zum Drama und daran, dass die Leute erst hysterisch werden und erst hinterher das Hirn einschalten (- wenn überhaupt) .
Vor etwa einem Jahr trug sich folgende Story zu: Ein Mann hatte Streit mit seiner Frau. Er zog das Messer und stach zu und dann verließ er das Haus. Einige Meter weiter hörte er den Krankenwagen kommen und erschrak fürchterlich, weil er dachte, seine Frau sei tot und er habe sie ermordet. Er rannte auf die Strasse und warf sich vor das nächste Auto. Und er war tot. Zurück blieb seine Witwe mit leichten Stich-Verletzungen und vier Kindern, die jetzt vom Rest der Familie mitversorgt werden muß.
Man könnte es auf einen Nenner bringen: erst ausrasten, dann nachdenken. Kullu arab, sagt mein Mann dazu. Typisch arabisch. Er muß es schließlich wissen.
Gerade gab es in einer tunesischen Kochgruppe auf Facebook eine Streiterei um die 20190407_125247Kochzeit von Mlouchiya, einer speziellen Suppe. Eine Deutsche hatte geschrieben, dass bei ihr die Suppe nur 1,5 Std koche. Worauf sich zwei Tunesierinnen derartig echauffierten („meine Oma hat die Suppe 7 Std gekocht. So muß es gemacht werden und so ist es richtig!“), dass es im Laufe von 85 Posts (!) hin und her zu Beleidigungen seitens der Tunesierinnen kam, die aber dennoch überzeugt waren, sie würden „sachlich“ argumentieren und die böse Deutsche hätte das Ganze angeheizt. Das ging von „Du hattest ja 20 Männer“, „Dein Mann kann einem leid tun, bekommt nichts ordentliches zu essen“, „wir haben es nicht nötig, unser Gesicht auf FB zu zeigen“, „was für eine Schande, in Deutschland findet man ja nicht mal mehr 14jährige, die noch Jungfrau sind“, „wir sind so gute Frauen, dass uns sogar ein Landsmann heiratet, wir müssen uns keinen Ausländer suchen“……..Wie gesagt, eine sachliche Auseinandersetzung um die Kochzeit einer Suppe!!!!!

Der Mord in Lala
geschah am Tag vor meiner Ankunft hier, etwa vor einer Woche. Das hat uns die Schwägerin gleich am Telefon in Tunis zum Frühstück serviert. 20191108_085750

Details wusste sie aber da noch nicht, nur, dass ein junger Mann seine Verlobte umgebracht hat. Ich vermutete, weil sie ihn nicht mehr wollte, da diese Frauenmorde von verlassenen oder zurückgewiesenen (Ehe-)Männern sich immer mehr häufen: Femizide! Überall lese ich in letzter Zeit von neuen Greueltaten. Die Details hab ich jetzt von der Nichte erfahren. Es war so, wie ich dachte. Im Frühjahr, März, April sollte die Hochzeit sein. Beide jungen Leute waren etwa um die 26 Jahre alt. Er hatte eine feste Anstellung und das Paar hätte danach in einem separaten Hausteil bei seiner Familie leben können. Also alles optimal. Eine fromme Familie sei sie, die Familie vom jungen Mann, wie man mir versicherte. Die junge Frau sagte ihrer Mutter, dass sie zur Tante gehen wollte, abends, nach Einbruch der Dunkelheit. Sie ging aber zu ihrem Verlobten, der wohl alleine in der Wohnung war. Dort gab es dann eine Auseinandersetzung und der junge Mann stach zu. Das Mädchen war allerdings nicht gleich tot, und hätte eventuell noch gerettet werden können, wenn er denn sofort Hilfe resp. den Arzt gerufen hätte. Doch in seiner Panik wusste er nicht weiter und rief stattdessen die Familie des Mädchens an und teilte ihnen mit, dass er sie umgebracht hätte. In der Zwischenzeit kam dann sein Vater nach Hause, war ebenfalls sofort in Panik und wollte dem Sohn helfen, das Mädchen zu begraben, da sie mittlerweile wohl verblutet war. So sitzen sie nun beide im Gefängnis. SAVE0001
„Sie war kein gutes Mädchen“, meinte die Nichte. „Und sie ist mit Schuld an ihrem Tod. Sie hat ihre Mutter angelogen und hat sich nachts alleine mit einem Mann getroffen.“
Ja so ist das im Patriarchat. War bei uns in den 1960ern auch noch so. Den Frauen wird beigebracht, dass es „da draußen“ in der bösen weiten Welt doch viel zu gefährlich ist und sie besser zu Hause bleiben…..man sieht ja, was alles passieren kann, gell! Selber schuld, wenn de dann umgebracht wirst! Da lob ich mir doch Golda Meiir. Als unter in ihrer Regierungszeit die Vergewaltigungen in Israel über Hand nahmen, schlugen männliche Parlamentsmitglieder vor, eine Ausgangssperre für Frauen ab 22 h zu verhängen. Gold Meiir meinte jedoch, dass im Zoo doch auch die wilden Tiere eingesperrt werden und nicht die Besucher, es müsste folglich eine Ausgangssperre für Männer geben. Das Thema „Ausgangssperre“ war, wie man sich denken kann, augenblicklich vom Tisch.
Aber zurück zum hiesigen Kaff und seiner sonst meist liebenswerten Bevölkerung. Manchmal gibts so schräge Stories, dass man wirklich sagen kann „you made my day“.
Eine find ich besonders ulkig: Ehepaar, seit 1 Jahr verheiratet, beide arm, noch keine Kinder, weil die Frau etwas an der Gebärmutter hat, das erst operiert werden muss. Das kann aber nicht hier in der Kleinstadt gemacht werden, sondern in Sfax. Dazu braucht man Geld, erstens für die OP (wenn man nicht versichert ist, sogar noch mehr), zweitens für die Unterkunft der Familie, denn die junge Frau kann ja nicht alleine soweit fahren (womit wir wieder beim Thema wären). Sie ist auch vom Land und hätte sicher so ihre Probleme. Wie auch immer, der Vater der Braut rief die Schwester des Bräutigams an und meinte: „zwei von Deinen Brüdern haben doch ein Haus und Eure Familie hat 8 Kühe. Ihr könnt doch eine Kuh verkaufen und das Geld meiner Tochter geben. Denkt darüber nach und sag mir morgen Bescheid!“ Eine Kuh kostet in Tunesien fast doppelt so viel wie in Deutschland, etwa 2500 Euro, obwohl die Leute nur einen Bruchteil des deutschen Durchschnittseinkommens verdienen.
Hua Mahboul! meinte die Familie dazu. Er ist verrückt.
Ach ja, und meine Mlouchiya Suppe kocht übrigens ca 2,5 Std. Ich werds aber mal mit 7 testen, um zu sehen, ob es da einen Unterschied gibt.

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