Fastenmonat Ramadan

In ein paar Tagen fängt er an, der islamische Fastenmonat Romdhane, wie er auf Arabisch heißt. „Do you like Ramadan?“ werde ich von der Familie gefragt. Ich hole tief Luft, überlege kurz, was ich antworten soll und sag dann knapp: „Tell me, whats good on Ramadan!“. Missionierungsversuch beendet.

Dann bekomme ich Instruktionen. Wann ich morgens zu nachtschlafender Zeit die Stieftochter wecken soll, was es dann zu essen gibt und dergleichen. Eigentlich läuft ja in fast allen islamischen Ländern der „Weckdienst“ durch die Straßen, auf dass auch keiner seine letzte Gelegenheit zum Essen und Trinken verpennt; man muss also nicht Angst haben, dass man verschlafen könnte.

Wenn nicht grad die Coronaregeln in Deutschland noch mehr nerven würden, wäre ich auch spätestens morgen dort. Ramadan ist für mich eine der überflüssigsten Erfindungen aller Zeiten, noch vor dem Klettverschluss für Erwachsene. Doch in der Tat, viele freuen sich allen Ernstes darauf! Sie schwärmen von der „speziellen Atmosphäre“ in diesem Monat, vom gemütlichen Beisammensein, vom leckeren Essen. „Es reinigt den Körper und den Geist“, sagen sie mir. „Gereinigt wird mit Wasser, überall, im Körper und im Wohnzimmer. Ohne Wasser ist das Quatsch“, gebe ich zurück. „Und was soll die Fresserei abends? Der Körper ist abends nicht auf Verdauung eingerichtet. Das liegt bloß im Magen und macht fett.“ Ich sage es ein bisschen lustig, alle lachen. Diskutiert wird nicht, das wäre für alle Energieverschwendung.
Richtig fasten ist für mich vor allem viel Trinken, viel Wasser und flüssige, dünne Suppen, kein Zucker, kein Alkohol. Und gar kein Essen oder nur ein sehr leichtes wie gekochtes Gemüse oder gedünstetes Obst. Kaum Kohlehydrate, kein Fleisch. DAS reinigt den Körper. Alles andere ist für mich Schwachsinn.
Das will natürlich niemand hören, aber was sollen sie machen? Ich bin keine Muslima (Allah sei Dank) und wenn ich nicht faste, dann kann mich keiner zwingen. Eigentlich gibt es nach Sure 2, Vers 256 im Koran sowieso „keinen Zwang im Glauben“. Aber Muslime sind ein Volk von Nachbarn und Kontrolleuren. Wichtig für das eigene Heil scheint vor allem zu sein, wenn man darüber wacht, dass der Nachbar sein Fasten einhält. Und ein Familienmitglied hat keine Chance, dass seine Entscheidung „nicht zu fasten“ einfach so akzeptiert wird, Vers 2/256 hin oder her. Der Druck ist enorm. Daher findet man im Außen keine Fastenverweigerer, nur heimliche.
Die meisten haben die Lektion aber so intus, dass sie Angst vor den göttlichen Strafen haben.
Und eine solche könnte schon ein Autounfall, eine Krankheit oder eine größere Reparatur sein.
Es gibt viele solcher Geschichten, wo die Leute glauben, dass die davongelaufene Ehefrau oder das behinderte Kind eine Strafe für ein nicht eingehaltenes Ge- oder Verbot darstellen.

Neben der angeblichen Reinigung für Körper und Geist beflügelt der Fastenmonat angeblich die Dankbarkeit, denn alles was wir selbstverständlich jeden Tag zu uns nehmen – Wasser, Nahrung, ggf. Zigaretten und im verheirateten Fall auch Sex – wird den Muslimen tagsüber entzogen und darf nur noch nachts konsumiert werden. Dankbarkeit ist sicher die beste Lebenseinstellung überhaupt, die man haben kann, da stimme ich uneingeschränkt zu. Doch dazu brauche ich keinen Ramadan mit Kopfschmerzen, Müdigkeit und Mundgeruch. Ich freu mich auch so jeden Morgen über die warme Dusche und das schöne Wetter, genieße den Duft unseres blühenden Zitronenbaums und fühle mich privilegiert, dass das tägliche Yoga so zuverlässig gegen die Spätfolgen meiner Wirbelsäulen-OP hilft.
Kinder, Schwangere, Menstruierende, Kranke, Reisende (also gedacht war das für jene, die mit dem Kamel oder zu Fuß gereist sind) müssen nicht fasten. Aber es wird tagsüber nicht extra was für die Kinder gekocht, höchstens Kleinigkeiten. Es gibt Reste vom Vortag, Brot, Kuchen. Sie müssen sich mit dem begnügen, was eben grade da ist. Das ist quasi wie eine Vorübung für später. Am ersten Tag überraschte mich der siebenjährige, der ziemlich verfressen ist, mit der heroischen Ankündigung: „Ich esse nichts und trinke nichts. Ich faste!“ Ich hatte ihm gerade sein Frühstückssandwich zubereitet, welches er nun ablehnte. Aha.
Eine Stunde später holte er sich ein Glas Wasser, zwei Stunden später auch das Sandwich: „Ich habe Hunger!“ meinte er entschuldigend. Er hatte es wohl seiner 12jährigen Schwester nachmachen wollen, die auch verkündete: „Ich mache Ramadan, sag Papa, er soll mich nachts zum Essen wecken.“ Papa weckte sie zwar zum Essen, sie stand aber nicht auf. Allerdings hielt sie den ganzen Tag durch. Aber am nächsten Tag war wieder Schule und Ramadan gestrichen. Ihre gleichaltrige beste Freundin allerdings hält sich tapfer. Ab etwa 14 Jahren wird erwartet, dass er oder sie fastet. Fällt der Ramadan allerdings in die heißen Sommermonate mit Temperaturen um die 45° und das Fasten dauert dazu noch knapp 20 Stunden, soll getrunken werden, bevor jemand komplett dehydriert. Selbstmord ist von Allah nicht vorgesehen.

  „Ich hab schon Datteln gekauft“, verkünde ich. „Die besten. Daglet ennour!“ Damit kann ich meine ablehnende Antwort von vorhin wieder etwas relativieren, denn es folgt allgemeines Lob. Die „Datteln des Lichts“ heißen so, weil sie so hell und durchscheinend sind und besonders gut schmecken. Ich stand bisher absolut nicht auf das klebrige Zeug, aber sie haben viele Antioxidantien, sind also – aufgrund des hohen Zuckergehalts allerdings nur in geringer Menge – gesund.
Die Schwägerin erklärt mir, wie ich sie füllen kann: einmal mit Butter und einem Mandelstückchen, dann mit Chamiya und ich hatte die Idee, dass ich mir noch Marzipan machen könnte, sicher auch eine passende Füllung.
Und ich musste danach feststellen: die mit kalter Butter und einer Mandel gefüllten Datteln sind einfach umwerfend und verwandelten mich direkt vom Dattelhasser in einen Dattelfan.

Gefastet wird von Sonnenaufgang (wenn man einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kann) bis Sonnenuntergang, etwa 13 Stunden um diese Jahreszeit, im April. Dieser Sonnenaufgang ist nicht der astronomische, sondern der islamische. Der astronomische wäre die Tage um 5.36 Uhr. Doch das Fasten beginnt zum Morgengebet, dem Fajr, heute also um z.B. um vier Uhr, eineinhalb Stunden früher.
Der „Weckdienst“ in Form eines Trommlers (Ettabbaal), der auf einer Basstrommel (Tbol) zwei Stunden vor dem Morgengebet durch die Straßen zieht und die Menschen zur Morgenmahlzeit, der Sahur, weckt, ist ein aussterbender Beruf und wird nicht mehr in allen Ländern praktiziert. Er heißt auch Musahhir, eine Bezeichnung die sich von sahhara, „jemanden zum Sahur aufwecken“ ableitet. Sahr (Pl. ashar) wiederum kommt von Frühe oder Morgen-Dämmerung‘. Oft werden die Trommelrhythmen noch von Gesängen begleitet, das macht unserer jetzt nicht. Aber am Eid wird er morgens vor der Tür stehen und seinen Lohn für die nächtliche Ruhestörung erbitten. Er klopft nicht, er trommelt. Jeder Haushalt gibt umgerechnet 1 -2 Euro. Diese Spenden gibt er bei der Gemeindeverwaltung ab, die ihn wiederum auszahlt. Etwa 800 Dinar, ca. 260 Euro ist sein Honorar.

Das Fastenbrechen am Abend stimmt mit dem astronomischen Sonnenuntergang und dem Abendgebet, dem Maghrib, überein und wird manchmal nur durch den Gebetsruf, manchmal mit einem Kanonendonner von exponierter Stelle bekannt gegeben.

Gezählt werden die Tage des Ramadan ab Abend, denn ein Tag im islamischen Kalender beginnt bei Sonnenuntergang und besteht aus der Nacht und dem folgenden Tag. Aus diesem Grund ist der erste Fastentag im westlichen Kalender der Kalendertag nach dem Beginn (= am Vorabend) des Ramadans und das Eid-Fest, findet am Kalendertag nach dem Beginn des neuen Monats statt.
Der genaue Tag des Beginns (und damit auch des Endes) des Ramadan kann nicht vorhergesagt werden, da der Zeitpunkt vor Ort durch Mondbeobachtung festgelegt wird und insofern bis zu 2 Tage vor oder hinter dem erwarteten Datum liegen kann. In jedem Falle steht er erst am Tag vor dem Beginn/Ende absolut fest. Es gibt einige Länder, zu denen auch Tunesien gehört, wo, eigentlich regelwidrig, astronomische Berechnungen verwendet werden oder ganz einfach die Regelung aus Saudi-Arabien oder der Türkei (wie z.B. in Deutschland), übernommen wird – aber dennoch wird auch in Tunesien Beginn und Ende des Ramadan erst am Vortag in einem üblichen Ritual „ganz überraschend“ angekündigt.
Der Mond steht also in den Startlöchern und aller Wahrscheinlichkeit nach beginnt der Ramadan in diesem Jahr 2021 am Abend des 12. April und endet mit dem Fastenbrechen am 12. Mai. 29 oder 30 Tage dauert das Ganze, bis am 13. Mai das Eid el Fitr (auf türkisch: Scheker Bayram/ Zuckerfest) stattfinden kann. Davor wird eingekauft, denn traditionell erhalten alle Familienmitglieder an Ramadan Geschenke, meist einige neue Kleidungsstücke oder Geld. Ebenso wichtig ist die Abgabe der Almosensteuer (Zakat) und des freiwilligen Almosens (Sadaqa). Während ersteres zu den fünf Säulen des Islam zählt und nur Muslimen zu Gute kommen soll, ist das letztere freiwillig und darf auch Andersgläubigen  und ganzjährig gespendet werden.
Der Fastenmonat verschiebt sich wie alle islamischen Termine jedes Jahr um 11 Tage rückwärts (findet also früher im Jahr statt), so dass das Fasten auch in die heißen Sommermonate fallen kann. Jetzt und für die nächsten 15 Jahre wird es aber erstmal jedes Jahr angenehmer, denn es geht Richtung Winter.
Der wichtigste Tag im Ramadan ist der 27. Fastentag. In dieser Nacht (Qadr) soll dem Propheten Mohamed erstmals eine Sure des Koran offenbart worden sein. In dieser Nacht kann sich das Schicksal entscheiden, glauben viele. Traditionell werden nach dem Eftar die Gräber der Verstorbenen besucht und dort ein Gebet gesprochen. Da wir direkt am Friedhof wohnen, installierte mein Mann wie jedes Jahr an der Kiefer gegenüber unserem Haus einen starken Baustrahler und fütterte ihn mit unserem Strom, damit die nächtlichen Friedhofsbesucher sich nicht verirrten. In Ägypten werden den Toten in pharaonischer Tradition sogar Speisen ans Grab gebracht, über die sich in Kairo vor allem die lebenden Friedhofsbewohner freuen.

Das tägliche Fastenbrechen
Der Fokus im Ramadan sollte, wie oben erwähnt, auf der Besinnung liegen. Manche lesen auch täglich im Koran, um alle 114 Suren mit 6236 Versen bis zum Eid el Fitr gelesen zu haben.
Doch wie bei uns Weihnachten als „Fest der Liebe“ propagiert wird, aber längst zu einem Stresstermin mit Kaufmarathon verkommen ist, so menschelts halt hier auch und alles dreht sich um die tägliche Menüfolge.
In der Regel beginnen die Frauen am Nachmittag gegen 15h zu kochen, um vier Stunden später eine üppigere Mahlzeit als gewöhnlich auf den Tisch zu bringen. Die beliebten Ramadan-Speisen sind natürlich in jedem muslimischen Land andere.
Nach dem ersten Schluck Wasser folgen in Tunesien gefüllte Datteln o.ä. (in Ägypten z.B. werden sie nicht gefüllt, sondern kleingeschnitten und in Milch eingeweicht), täglich eine Suppe, dazu wahlweise Brik, Kifta patates (Kartoffelfrikadellen) oder ein Kartoffelbrotauflauf (Tadschien). Als Hauptgang ein eigentliches Mittagessen wie Couscous, Makrouna oder Marga, dazu Salat. Danach gibt es Obst sowie reichlich süße Backwaren zu Tee und Kaffee. Man kann dann theoretisch die ganze Nacht hindurch essen, bis zum Morgengebet, auf jeden Fall aber nochmal zum Sahur.

In Kairo wird das Fastenbrechen durch einen Kanonenschuss von der Zitadelle bekannt gegeben. Kurz davor leeren sich die Straßen und das sonst ewig verstopfte Kairo ist fast Autofrei. Mancher, der sich verspätet hat, tut sein Bestes, um nach Hause zu kommen und ich beobachtete Fahrzeuge, die seitlich auf zwei Rädern um die Kurve schlitterten wie in einem Komikfilm. Vor vielen Restaurants sind lange Tische aufgestellt und mit weißen Tischtüchern belegt. Dort sitzen die Armen, die vom Restaurantbesitzer im Zuge seiner Almosenpflicht ein Gratisessen erhalten: Messer und Gabel vertikal in den Händen oder das Glas Wasser bereits mit beiden Händen fest umklammernd, um nach dem Kanonendonner auch nicht eine Zehntelsekunde zu verpassen. Am späteren Abend sind die edlen Restaurants für die besser verdienende Schicht prall gefüllt und dort wird, pardon, vielfach gefressen, nicht gespeist.

Alltag im Ramadan
Abgesehen davon, dass die Reizbarbeit bei den meisten Menschen enorm zunimmt, passiert nicht viel im Ramadan. Wer schlafen kann, schläft, solange es irgend möglich ist oder hält sich zumindest im Bett auf. Das sind meist die Männer, denn die Frauen müssen ja kochen und der Haushalt erledigt sich auch im Ramadan nicht von selber. Die Frauen fasten natürlich trotzdem.

Obwohl ich selber nicht auf Getränke verzichte, versuchte ich, weniger zu essen und am ersten Tag war mir abends schlecht vom Wenig-Essen, ich war müde, hatte Kopfschmerzen (auch noch die folgenden Tage) und keinen Appetit auf das Abendessen mehr. Meine Laune war unterirdisch, wobei ich nicht den Eindruck hatte, ich könnte das steuern. Es fühlte sich eindeutig nach „Fastenkrise“ an. Der Körper entgiftet und es dauert, bis die freigewordenen Schadstoffe ihn verlassen haben. Nach einigen Tagen sind Müdigkeit, Kopfschmerzen und Stimmungstief meist überwunden, vorausgesetzt natürlich, dass man viel Wasser zu sich nimmt. Aber zusammen mit Wasser kann man diese Zeit als Nicht-Muslim gut nutzen, um unerquickliche Körperfettdepots abzubauen, wobei abends natürlich Zurückhaltung in Sachen Brot und Süßkram angesagt ist.

Um Essen zu kaufen, gibt es keine Einschränkungen. Gemüsemärkte und Supermärkte sind offen, aber schon auf dem wöchentlichen Suq ist im Ramadan wesentlich weniger los als sonst.
Andere Geschäfte, Restaurants, Banken sind entweder ganz geschlossen oder nur für einige Stunden pro Tag, entweder morgens oder spätabends, geöffnet.
Die Behörden in Tunesien haben während des Ramadan durchweg nur am Morgen bis kurz nach Mittag geöffnet. Zudem ist die Zahl und Arbeitsmoral der Angestellten in Tunesien im Ramadan gering bis sehr gering, so dass der Service zum Teil nochmal schlechter ist als ohnehin schon. Dafür geht es nachts und am frühen Morgen auf den Straßen und in den tunesischen Häusern weitaus lebhafter zu als sonst. Fällt der Ramadan in die Sommermonate, spielen die Kinder bis weit nach Mitternacht draußen.
Die Waren in den Supermärkten Tunesiens sind teurer als normalerweise, auch das Fleisch kostet mehr, weil traditionell am Abend in fast jeder Familie ein besonders üppiges Essen zubereitet wird. An den viel frequentierten Plätzen wie den Eingängen zu Markt oder Supermarkt sowie neben den Geldautomaten findet man mehr Bettler als sonst. Vor allem Frauen mit Säuglingen oder kleinen Kindern erbitten sich Spenden von den Vorübergehenden. Corona hat die – für viele vorher schon prekäre  – Situation noch einmal verschärft.

Wie bereits erwähnt, glauben besonders eifrige Beter, dass ihr Seelenheil daran hängt, wenn sie sich vor allem um die anderen kümmern. So gibt es seit dem „Arabischen Frühling“ 2011 und der Aufhebung des Verbotes islamistischer Parteien immer mal wieder Störungen durch Salafisten, wenn sich Personen oder Geschäfte ihrer Meinung nach nicht an die Regeln des Ramadan halten. 2017 wurden auch Touristen-Cafés in Sidi Bou Said, dem malerischen Vorort von Tunis geschlossen oder Kulturveranstaltungen wurden von Salafisten derart gestört, so dass die Künstler nicht auftreten konnten.  Denn ihrer Meinung nach dürfen im „Hl. Monat“ bestimmte Themen nicht angesprochen werden oder musikalische Darbietungen nicht stattfinden. Auch im Fernsehen gibt es in jedem Land spezielle, meist religiös-betonte Programme für diesen Monat, während beispielsweise die ägyptischen Bauchtänzerinnen für vier Wochen arbeitslos sind.
Bei Tunis Air, der staatlichen tunesischen Fluggesellschaft, ist seit 2012 der Ausschank von Alkohol während des Ramadan verboten.

Zur Erinnerung: Salafisten sind die, die meinen, es müsse alles wortgetreu aus dem Koran befolgt werden wie vor 1400 Jahren und die sich gegen jedwede Anpassung an die heutige Zeit sträuben. Eigentlich müssten sie selber daher alle mit Turban bestückt sein und auf einem Kamel reiten, denn der Prophet Mohamed war ein Turbanträger und bewegte sich auf Kamelen fort. In der Tat gibt es solche, die sogar Elektrizität oder Internet ablehnen. Der Name kommt von „Salaf“, was Vorfahre, Altvorderer bezeichnet. Gemeint sind damit die Muslime der ersten drei Generationen nach Mohamed, sprich: ganz ganz früher war eben alles besser. Salafisten (auch die Rechtsschule der Wahhabiten von Saudi-Arabien gehört dazu) zählen sich zur Da´wa, die alle Neuerungen ablehnt, im Gegensatz zur Bi´da, die (gute) Neuerungen zulässt. Die Salafistenbewegung begann in den 1920er Jahren in Saudi-Arabien und Ägypten.

Salafisten sind folglich auch diejenigen, die alles Spirituelle an der Religion in geistiger Kleinkrämerei ersticken und ihre Zeit damit verbringen, über so ungeheuer Erleuchtungs-relevante Dinge diskutieren wie „ob eine Impfung das Fasten unterbricht“ (es gelangt ja Flüssigkeit in den Körper) oder dass eine Frau in dieser Zeit keinen Lippenstift tragen soll, denn sie könnte ja was verschlucken, dann wäre das Fasten auch ungültig. Äußerlich erkennt man männliche Exemplare meist am Vollbart, weibliche oft an einer Komplett-Verhüllung mit Nikab.

Es gibt viele Menschen, die ein Rezept brauchen zum Leben, wo genau aufgelistet ist, was sie zu tun und zu lassen haben, um in den Himmel zu kommen oder eben nicht. Malen nach Zahlen, da kann man nichts falsch machen. Wenn man sieht, was in den Schulbüchern (islamischer Religionsunterricht) so vermittelt wird, wundert man sich allerdings nicht mehr, denn der allwissende strafende Gott ist natürlich allgegenwärtig.

Das Eid al Fitr-Fest findet am ersten Tag des auf den Monat Ramadan folgenden Monats „Shawwal“ statt und stellt den Abschluss der Fastenzeit dar. Dieser Tag ist ein Feiertag, an dem so gut wie sämtliche Geschäfte geschlossen und die Schüler schulfrei haben. Nur die Läden mit Kinderspielzeug und einige Kioske für Zigaretten, Getränke und etwas Obst haben geöffnet. Die tunesischen Familien begehen diesen Tag gemeinsam und man absolviert Kurzbesuche bei der Verwandtschaft. Leben Familienmitglieder im Ausland, so kommen sie  – wenn nicht schon für die Dauer des Ramadan – spätestens einige Tage vor dem Fest, um zu Hause zu feiern. Für die Kinder gibt es meist irgendwelche Spektakel: Jemand hat eine Kutsche angespannt und die Kinder können gegen Entgelt kleine Kutschfahrten machen oder auf einem Pferd mitreiten. Früher – vor Handyzeiten und millionenfachen Selfies – wurden an diesem Tag Fotos von den Kindern und/oder der Familie beim Fotografen gemacht. Zum Essen gibt es traditionell zum Frühstück Fuul medames, Bohnen. Gebacken haben die Frauen schon vorher in Massen, so dass, sollte jemand ein paar Gramm abgenommen haben, man jeden Gewichtsverlust beim Nachmittagstee sehr rasch wieder ausgleichen kann. Die traditionellen Ramadan-Backwaren sind alle grauenhaft süß und extrem fettig.

Zum Abschluss kommt wieder eine Frage an den Islamischen Zentralrat der Schweiz;

Frage:
Wie ist das Fasten eines Studenten an einer Universität zu beurteilen, in der sich Frauen und Männer sogar in den Vorlesungssälen gemeinsam aufhalten? Tut dies dem Fasten Abbruch?

Antwort:
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken! 

Der Muslim muss sich, so gut er kann, davor hüten, sich unter Frauen zu mischen. Grund dafür sind die unmoralischen Auswirkungen, die höchstwahrscheinlich oder sogar tatsächlich daraus hervorgehen; dies ist je nach Personenkreis und Örtlichkeit verschieden. Wem so etwas ohne Verlangen danach und unabsichtlich widerfahren sollte, muss sich standhaft darum bemühen, nichts Verbotenes anzublicken und keine unnötigen Gespräche zu führen. Denn dies ist besser, um die Lauterkeit seines Herzens zu bewahren, sich von Ehebruch fernzuhalten und seine Religion zu schützen.

Sein Fasten ist übrigens, falls er sich im Zustand des Fastens befand, gültig. Denn der gemeinsame Aufenthalt mit Frauen an einem Ort gehört nicht zu den Dingen, die das Fasten ungültig werden lassen.

Und Allâh weiß es am besten!

(Quelle: website des Zentralrats der Muslime/ Schweiz/ April 2021 )

                                                  Und ich hol mir jetzt erstmal nen Kaffee! 🙂

3 Gedanken zu “Fastenmonat Ramadan

  1. Ute schreibt:

    Hallo Eva,
    seit du in Tunesien lebst verfolge ich deinen Blog und ich lese immer sehr gerne bei dir.
    Es ist immer sehr interessant was du zu erzählen hast.
    Ich freue mich dass es dir gut geht und vermisse oft deine Yoga Stunden.
    Herzliche Grüße aus Illertissen, Ute.

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