Das Essen in Tunesien

Ein erster Eindruck …
Da ich noch keine eigene Küche habe, fühle ich mich hier noch sehr behindert und eingeschränkt.
Das heißt aber nicht, dass ich Essensmäßig irgendwie zu kurz käme, im Gegenteil.
Die Schwägerin kocht zweimal täglich, und zusätzlich für unsere Bauarbeiter. Sie ist die aufopferungsvolle Hausfrau und Mutter schlechthin.
Die Namen von den täglichen Gerichten kann ich mir zwar noch nicht alle merken und wenn, dann spreche ich sie sicher immer noch falsch aus, bevorzugt mit einem falschen s, ß, ss oder falschen h, ha, cha. Aber grundsätzliches kann ich mal darüber erzählen.
Tunesiens Küche wird nicht umsonst die „rote Küche“ genannt aufgrund der häufigen Verwendung von Paprika und Tomaten. Dagegen nennt man die marokkanische Küche die „gelbe“ (Safran, Kurkuma) und die Nomadenküche wie z.B. in Jordanien oder Sinai die „weiße“ (Joghurt, Milch).
ZubereitungCouscous2
Im Prinzip gibt es hier so gut wie immer als Grundzutat und -geschmack rote Tomatensoße, mit oder ohne Knoblauch, aber fast immer mit Zwiebeln, Kurkuma und Kumin gewürzt. Mehr oder weniger scharf. Mal kommt die Schärfe von getrockneten roten Chilis, die mitgekocht werden. Mal von Harissa aus der Dose (Cap bon) oder Harissa „arbi“, selbstgemachte Harissa. Mal von Zeena (gemahlene trockene Chilis mit etwas Olivenöl versetzt, damit es nicht staubt). Das ist für jedes Gericht genau vorgeschrieben. Jedenfalls behaupten manche das. Ist sie weniger scharf, gibt es manchmal dazu mit Olivenöl und Wasser verrührte Harissa zum Eintunken.
Die zweite Grundzutat ist Baguette. Fladenbrot hat hier seit den Franzosen beinahe ausgedient. Nein, stimmt nicht, das gilt nur fürs Mittagessen. Abends wird gerne Kessra gebacken, eben Fladenbrote. Mal dickere, dann heißen sie Kessra, mal dünnere dann heißen sie Kessra Mlaoui. Mal gefüllte, dann heißen sie Kessra bischn häm.
Für die rote Soße werden Zwiebeln und manchmal Knoblauch angedünstet, gewürzt, mit Wasser aufgefüllt und ein paar Stücke Fleisch und Tomatenmark zugegeben. Nicht immer, allerdings immer für Megli werden frische Tomaten verwendet, sonst höchstens zusätzlich 2 bis3 kleingehackte oder pürierte zur Säureregulierung. Fleisch ist ebenfalls keine Hauptzutat, sondern dient fast nur dem Geschmack der Soße. Rind- oder Hühnerstücke werden mitgekocht, meist recht lange und die Soße kommt mal als Suppe, mal als sämige Creme zu den Kohlehydraten. Für jeden gibts ein Gulaschgroßes Stück Fleisch oder ein Stück Huhn mit Knochen, das ist die Regel.
FertigerCouscousHelbaUndBrikDie Kohlehydrate bestehen neben Brot in erster Linie aus Couscous, Makruna (Nudeln aller Art), leider nicht al dente, sondern meist zu weich gekocht, Reis gelegentlich, Barquqsh („kleine Pfirsiche“ = aus Gries gerollte Kügelchen, siehe Titelfoto), Azeeda (Mehlbrei mit Olivenöl; für die Schreibweise übernehme ich keine Verantwortung 😉 und wie schon erwähnt, Baguette, manchmal wird eines pro Person vertilgt! IMG_2270
Im Couscous und in der Spaghettisoße sind meist noch Kartoffeln (die gelten hier wie in Frankreich als Gemüse), grüne längliche Paprikaschoten (filfil), Kürbis (Graa), Zucchini (Graa butosina) und Karotten (sfuneria), die hier röter sind und süßlicher schmecken als deutsche Karotten. Manchmal sind frische Erbsen (Jilbana) dabei und es gehören auch frische Bohnenkerne dazu, sowie fast immer eine Handvoll Kichererbsen (Hummus). Und gelegentlich verschiedene grüne Blattgemüse wie Morschan, Mangold oder Spinat.
Manchmal gibt es „verlorene Eier“ in Tomatensoße, manchmal gebratene (stets durchgebraten!), immer aber wird aus einer großen Schüssel gegessen, mit Brot als Besteckersatz oder mit Löffel.

Nur wenn es Suppe gibt (als Einlage dienen meist Reisförmige Nudeln „Lissan al Asfour“/ Spatzenzungen – hier heißen sie Shorba wie die Suppe selbst), bekommt jeder eine eigene kleine Schüssel.
Gesalzen wird sehr wenig. Weder Salz noch Pfeffer stehen auf dem Tisch. Allerdings habe ich festgestellt, dass ich viel weniger trinke als in Deutschland, was möglicherweise mit dem verminderten Salzkonsum zu tun.
Frühstück wird ziemlich vernachlässigt: entweder gibt es schnell eine Orange, einen fertig aromatisierten Joghurt, ein gekochtes Ei oder auch einen Riegel a la Snickers oder Kekse / Kuchen vom Vortag.
In Amrah, 30 km entfernt auf dem Land legen auch die Gänse jeden Tag ein Ei in ihr Autoreifennest, so gibt es gelegentlich ein riesiges Gänseei zum Frühstück oder zum Couscous dazu.

Ich hab mir Joghurtferment mitgebracht und dazu das Weckglas im Styropormantel. Da wir ja eigene Kühe und somit eigene Rohmilch haben, will ich Butter, Sahne, Joghurt, Quark und Frischkäse in Bälde selbst herstellen. Insha´allah – so Gott einverstanden ist.
In Ermangelung einer eigenen Küche ist es schwierig, Low Carb einzuhalten. Das unvermeidliche Baguette ist immer und überall dabei; man kann nur schauen, dass man davon so wenig wie möglich nimmt. Mit dem übrig gebliebenen Brot werden hier die Wachhunde gefüttert.
Salat ist jetzt nicht ständig dabei, obwohl es auf den Märkten immer Eissalat gibt. Den kaufen vor allem die Vogelbesitzer. Viele Singvögel in Käfigen zu halten ist hier sehr verbreitet.
Ich glaube, der einzige Grund, warum hier nicht mehr Dicke rumlaufen bei dem vielen Weißbrotverzehr ist der, dass nicht ständig zwischendurch gegessen wird. Es gibt mittags und abends warmes Essen, aber dazwischen eben nichts, höchsten Tee mit Nüssen. Jedenfalls wird kaum gebacken und Kuchen ist etwas besonderes, auch wenn die Supermärkte das ganze Süßkram- und Keksangebot natürlich hier auch drauf haben. Dass wenig gebacken wird, ist sicher bedingt durch den Holzmangel. Gas- oder Elektroöfen gibt es ja noch nicht soo lange, jedenfalls hat Backen (außer Fladenbrot im speziellen Brotofen) keine Tradition hier. Kuchen (oder süssen Nachtisch) gibt es nur zu besonderem Anlass und der Kuchen (außer einfacher Rührkuchen) wird beim Bäcker bestellt. Wie meist in orientalischen Ländern ist das Gebäck vor allem süß und feChai_Kakaowiyattig. Leider gibts ein paar wenige Sorten, die sogar ich lecker finde.
Als Nachtisch wird stets Obst nach Saison gereicht. Im Winter Orangen, Mandarinen, Äpfel, Kiwi. Im Herbst Weintrauben,  Äpfel, Granatäpfel, Datteln, Bananen, im Sommer Feigen, verschiedene Melonen, verschiedene Birnensorten, im Frühjahr (das fängt im Januar an) Erdbeeren. Bei manchen kaum knackig zu nennenden Äpfeln fehlt mir allerdings die Säure. und bei manchen Orangenssorten auch. Die besten Orangen, sehr süß, aber auch mit ausreichend Säure, sind von der Sorte namens Thomson, so habe ich jetzt herausgefunden.
Nach dem Obst-Nachtisch gibt es ein winziges Glas grünen Tee mit Minze (ähnlich wie in Marokko) oder schwarzen Tee, der hier roter Tee heißt, mit Kakauwiya, d.h. gerösteten und geschälten Erdnüssen. Sehr lecker, leider immer schon mit Zucker zubereitet (manchmal ist es eher Zucker mit Tee statt Tee mit Zucker!) und mit 2 Schluck ausgetrunken….

Unterwegs ist man auf Fast Food angewiesen. Da findet man auf jeder wichtigen Landstraße genügend Lokale, die Sandwiches und Shawarma („Döner“) verkaufen. Die Sandwiches bestehen meist aus Harissa als Grundierung, Hühner- oder anderem Fleisch, Salatzutaten und Pommes. Also die Pommes wahlweise nicht nur dazu, sondern IM Sandwich.

Manchmal gibts noch grüne Paprikasoße darüber und dann stehen die Leute Schlange vor Begeisterung. Also ich gebe zu, wenn man Hunger hat, ist das wirklich sättigend und schmeckt sogar. Aber diese Sandwiches sind natürlich Kohlehydratbomben erster Güte.

Ein Essen ohne Schärfe ist kaum denkbar, selbst die Babygläschen sollen schon scharf gewürzt sein. Verlangt man im Restaurant einen Kinderteller mit Nudeln, können deutsche Kinder diesen in der Regel nicht essen, weil er immer noch zu scharf ist….

Die wenigen Ausnahmen von der scharfen Regel sind zum Beispiel Brik
GefüllteBlätterteigrollen_tomatensoße oder Tadschin oder  manchmal Mloukhiya. Brik, vom türkischen Börek abstammend, wird mit Kartoffel, Thunfisch, Ei, Petersilie und etwas Käse gefüllt und wie Zigarabörek in länglicher Form oder auch zu Dreiecken geklappt und dann gebraten. Tadschin ist ein Auflauf mit Kartoffeln, Grieß, Hühnerfleisch, in der Edelversion mit Safran gewürzt.
Die tunesische Mloukhiya ist sehr speziell. Mit der ägyptischen Mloukhiya Suppe hat sie kaum etwas zu tun. In Tunesien werden die gemahlenen Mloukhiya-Blätter als dickflüssige Suppe oder Brei gegessen. Das sieht sehr „strange“ aus, schmeckt aber absolut genial. Man darf sich nur nicht vollkleckern: die ölige, dunkelgrüne Pampe bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Stoff.

Wenn ich dann wieder kochmäßig loslegen kann, werden hier die leckeren Rezepte folgen. Siehe auch unter Foodimpressionen aus Tunesien

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