Tunesischer Alltag – Im Souq

Um 6.30h ging heute der Wecker, aufstehen, kalt duschen, denn ich wollte mit der Schwägerin auf den Souq al Arbi3a, den Mittwochsmarkt. So früh wie möglich, also schon um 7 h.

Kalt duschen war nicht freiwillig und keineswegs aus sportlichem Ehrgeiz. Sondern, weil heute Nacht um 2.50 h mein Mann wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett gesprungen ist. Draußen ein Wolkenbruch, wie es sie nur in Deutschland gibt, dem Geräusch und den Nebelschwaden nach. Man sah nichts mehr im Garten. Oder regnete es gar nicht? Wasserdampf raste mit dem Sturm durch den Hof und nach oben, in alle Richtungen. Oh je, ich hatte vergessen den kaputten Boiler wieder auszustecken. Jetzt war er, aufgeheizt bis zum Limit, kurz vorm Platzen. Die Sicherung war schon draußen, Licht gab´s keines mehr. Mein Mann versuchte zu den Heißwasserleitungen vorzudringen. Als ich endlich halbwegs wach war, schaltete ich meine Handy-Taschenlampenapp an und leuchtete.
Die Massen an Dampf rauschten und zischten laut und bedrohlich. Aber nach etwa 15 Minuten hatten wir das Ganze wieder im Griff. Nachdem der Lärm nachgelassen hatte, konnten wir weiterschlafen, was nach dem Adrenalinstoß gar nicht so einfach war. Souq1

Ich liebe den Souq. Zwar ist es etwas anstrengend, im Gewühle sich vorwärts zu bewegen, chamäleonartig mit einem Auge auf dem unebenen Boden und den Personenverkehr und dem anderen Auge auf die ausgestellten Waren. Aber ich finde das Angebot schon sehr interessant und teilweise auch verlockend. Gleich am Anfang ist ein langer Gewürz- und Kochzutatenstand, bei dem ich diesmal gleich alle mir in der Küche fehlenden Geschmackszutaten mitnehme. Von gesalzenen Trockenaprikosen über Schelba (Trockenfisch) zu getrockneten Feigen, roten Linsen, Kakauwiya (Erdnüsse im Häutchen) für den Tee, gemahlenen Zimt und getrockneten Chilischoten.

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Tee gibt es mit Pinien oder Erdnüssen

Dann hängt die Schwägerin sich bei mir ein und wir arbeiten uns vorwärts. Ab und an hält sie an einem Stand, will hier den Preis für einen Teppich, dort für einen Tisch, woanders den für Socken wissen.  Der Mittwochsmarkt ist kein fest installierter Souq, in dem die Stände nach Waren sortiert sind: hier das Geschirr, dort der Stoff, drüben die Teppiche und da die Jebbas und Harkas nebst Damenunterwäsche. Es geht bunt durcheinander. Gewürze neben Schuhen, Kleider neben Keramikschüsseln.

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Keramik-Souq in Nabeul

Untergehakt, die Taschen gut verschlossen, tappen wir voran, am Ende geht es nach links in Richtung römische Quellen, die hoch ummauert sind und in denen im Sommer die Kinder ihren Spaß haben. Ein schöner Platz aus alter Zeit, jetzt im Herbst ruhig und leer, sehr orientalisch, mit einem Café, leider ein Männer-Café, aber es wäre hier angenehm (Kaffee trinkend und lesend) zu verweilen. Über dem Platz gehen wir drüber, dann kommt der algerische und französische Markt, der aber kaum anders aussieht.

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Die Altstadt rund um die römischen Quellen

Es gibt Ersatzteile für Autos und Mopeds, Küchengeräte, Kinderwägen und ein Mann schiebt einen Kinderwagen vor sich her, wie um zu beweisen, dass man diese Fahrzeuge hier tatsächlich benutzen kann.
Fürs Kind mag es ja vielleicht ein Spaß sein, wenn der Wagen hoppelt wie früher die Pferdekutsche auf dem Kopfsteinpflaster, für die Mutter sicher nicht. Ich habe meinen (alten, billigen) Buggy damals in Istanbul einfach irgendwo stehen lassen und meine vierjährige Tochter ab da auf den Schultern getragen: die Bordsteinkanten Kniehoch, die Löcher in den Straßen knöcheltief und tiefer, Treppen abwärts zu Kellerläden, Treppen aufwärts zu erhöhten Läden, natürlich mitten im Weg, große Steine, die aus unerfindlichen Gründen herumlagen, die begehbaren Teile der Bürgersteige zugeparkt.  Es ist hier nicht ganz so schlimm wie es damals dort war, aber viele Nebenstraßen sind hier auch noch nicht geteert und voller Schlaglöcher.

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Die römischen Quellen: im Sommer Badespaß für die Kinder

Buchur (Weihrauch) brennt an einem Gewürzstand ab und überduftet den Markt. Tätowierte Berberinnen bahnen sich mit schwankenden Gang eine Gasse durch die Menschen. Ab und zu muss ein Moped mit Anhänger durch. Bettlerinnen, meist sehr alte Frauen, sitzen herum und halten die Hand auf. Ich habe mir meine Münzen extra in die Hosentasche gesteckt, damit ich bei solchen Gelegenheiten nicht den Geldbeutel rausholen muss. Ich gebe öfters, obwohl ich weiß, dass diese Frauen nicht zwangsläufig arm sind. Manche haben zwei Häuser und verdienen gut mit Betteln, weiß man aus diversen TV-Reportagen. Manche sind Teil einer Organisation und müssen das Erbettelte abgeben, auch wenn das hierzulande bei weitem nicht so schlimm ist wie in Ägypten. Allerdings gebe ich nicht wirklich viel, aber das ist ja immer relativ.
Wir sind am Babysachenstand angelangt, für ein neues Familienmitglied brauche ich einige Mitbringsel. Meine Schwägerin bedeutet mir per Geste, dass ich (die per se „reiche Europäerin“) den Mund halten soll, dann wird’s nicht so teuer. Das ist schwierig, denn ich will keine Klamotten für Neugeborene, wie mir hier angeboten wird, sondern ab sechs Monate aufwärts. Ich nehme ein Ensemble, eine Babytasche für unterwegs inklusive Flaschenwärmer und noch einige „leggings“ und Unterwäsche-Kombis.

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Schildkröten auf dem Souq von Monastir

Wir schleppen unsere Beute zum Auto, müssen zweimal stoppen, weil die Tüten reissen (der Plastiktütenverbrauch ist hier ungeheuerlich) und gehen dann noch zum Carrefoure, dann in die zentrale Markthalle, bzw. dahinter in ein Haushaltswarengeschäft und danach noch in einen Supermarkt. Ich finde noch einige Mitbringsel und Dinge für mich, aber das Unterteil von meinem kaputten Leifheit-Flachwischgerät finde ich nicht. Diese Technologie ist bestenfalls in Tunis verfügbar, hier in Tozeur ist das höchste der Putzgefühle ein Wischmopp, den man in einem dazugehörigen Eimer mit Spezialsieb drehend auswringen kann. So was hatte ich früher, allerdings verteilt man da den Dreck eher, als ihn aufzusammeln.  Und da ich Putzen eh hasse, aber Rabra-(Staub/Sand) Schichten in Küche, Bad und Zimmern leider ständig entfernen muss, will ich es so einfach und so wenig anstrengend wie möglich haben. Souq3
Nach 3 Stunden sind wir wieder zu Hause. Da ich gestern kein Spülmittel mehr hatte, gibt es heute viel Arbeit in der Küche. Und der Wind bläst immer noch stark, in jedem Zimmer hab ich Sahara. Gestern gekehrt und gesaugt, heute wieder Dünen. Es staubt alles zu: Tassen, Teller, Schüsseln, Töpfe, Teppiche, Schuhe. Campingplatzboden! Nicht nur die Türen sind bei uns meist offen, denn es ist noch recht warm mit 28 Grad tagsüber: wir haben ja auch noch keine Fensterscheiben!
Heute Mittag will ich mal die Nwasser (kleine Plättchen aus Grieß, schmecken ähnlich wie Nudeln) ausprobieren und versuche mich zum Nachtisch außerdem in einer Mischung aus Trifle und Tiramisu. Es gibt hier definitiv keine süße Sahne zu kaufen. Weder im normalen Supermarkt noch im Carrefoure. D.h. man muß selber was zusammenbasteln aus Pudding und Creme Fraîche oder Pudding und Margarine. Leider klappen meine Versuche nicht immer, zumindest rein optisch nicht. Geschmacklich schon.
Jetzt hoffe ich vor allem, dass wir bald den „Spezialisten“ erreichen, der uns den Boiler vor 6 Monaten installiert hat, damit das mit der Warm-Wasser-Dusche ohne Explosions- oder Stromschlaggefahr wieder funktioniert.

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Souq in Tozeur

 

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