Kleine Olivenkunde aus Tunesien

Olivenwerdenreif

Foto vom November

Es ist Ende Juli. Heute morgen um 6 h sind wir wieder einmal durch die Olivenhaine gewandert, um die Bewässerung zu überprüfen. Und angesichts der unterschiedlichen Sorten, die bei uns angebaut sind, kam mir die Idee, eine kleine Olivenkunde zusammen zu stellen.
Denn: dass gutes Olivenöl gesund ist, weiß inzwischen jedes Kind. Und trotzdem machen noch einige Märchen über Oliven die Runde. Zum Beispiel, dass es von Natur aus keine schwarze Oliven gäbe, sondern alle Oliven eigentlich grün sind. Aber das ist in etwa so, wie wenn jemand behauptet, es gäbe eigentlich keine roten Tomaten und Tomaten seien von Natur aus alle grün. Sowohl Oliven als auch Tomaten sind grün, wenn sie unreif sind. Oliven werden mit der Reife violett bis schwarz, Tomaten eben rot.
Schwarze, also am Baum ausgereifte Oliven sind dreimal so teuer wie die grün geernteten, denn man muß sie sorgfältiger ernten und sie kommen nur mit Stein in den Handel. Schwarze Oliven ohne Stein sind mit Eisengluconat gefärbte grüne Oliven.

Nur aus den schwarzen Oliven wird die Masse an Oliven-Öl gewonnen, auch wenn sich ein paar grüne immer mit hinein verirren. Will man Öl von grünen Oliven, muß man tief in die Tasche greifen, denn die unreifen Oliven sind natürlich wesentlich weniger ergiebig. Dieses Öl ist dann auch das richtig teure Olivenöl mit den besten „inneren Werten“.

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Tunesischer Couscous Seffa

Leider kann man Oliven nicht direkt vom Baum essen wie Kirschen. Sie sind extrem bitter und müssen erst vorbereitet werden. Manche schwarzen Oliven werden erst in Salzlake eingelegt, um die Bitterstoffe zu entziehen, und dann in der Sonne getrocknet, andere kommen direkt in die Lake und bleiben dort. Weitere Aromastoffe wie Kräuter, Knoblauch oder Chili benötigen die reifen violetten bis schwarzen Oliven nicht. Sie sind auch ohne alles sehr schmackhaft und nicht nur aus der tunesischen Küche nicht weg zu denken. Werden Oliven in Öl eingelegt, sind sie ohne  vorheriges Kochen oder Konservierungsstoffe sehr lange haltbar.
Hier gehts zum Selber Einlegen und verzehrfertig machen von grünen und schwarzen Oliven.

Blüte und Ernte
Olivenbäume blühen im Frühjahr (Ende April bis Anfang Juni) und geerntet wird ab Mitte Oktober bis Ende November, manchmal bis Januar.  Wichtig ist, dass die Bäume in den 2 Monaten vor der

Olilvenblüten1

Foto vom April

Blüte genügend Wasser haben, sonst ist der Ertrag vermindert. Es sollte daher auch die Ernte bis 1. Dezember erledigt sein, damit die Bäume genügend Zeit zur Erholung haben. Dauert die Ernte bis Januar, so ist das für die Höhe des Ertrages ebenfalls abträglich. So oder so, trägt der Olivenbaum nur an den 2jährigen Zweigen und so gibt es in einem Jahr mehr, im nächsten Jahr weniger Früchte. Das nennt sich Alternanz und das gibt es auch bei anderen Fruchtbäumen.
Es dauert ca. 7 Jahre, bis ein Olivenbaum Früchte trägt, am meisten trägt er im Alter von 20+. Und dabei gilt die Regel: je knorriger, desto mehr Ertrag. Olivenbäume können sehr alt werden, es gibt Exemplare in Griechenland und Spanien, die zwischen 1200 und 4000 Jahre alt sind.

Geschichte
Wilde Olivenbäume exististieren es schon sehr lange in ganz unterschiedlichen Regionen: Mittelmeerregion, Südafrika und im Nahen Osten. Die ältesten Funde von Blättern und Samen sind über 50.000 Jahre alt. Am besten gedeiht der Baum im mediterranen Klima, froststabil ist er nicht. Mehrere Versuche, den Olivenbaum in nördlicherern Gegenden zu nutzen waren zunächst erfolgversprechend, jedoch dann wurden Millionen von Olivenbäumen in Osteuropa durch Kälteeinbrüche (zuletzt 1956) vernichtet. Momentan befindet sich die nördlichste Kultur Deutschlands in Köln (seit 2008) und in Österreich am Neusiedlersee (seit 2016). Im Regelfall braucht die Olive  Durchschnitts-Temperaturen von 15-20 Grad und mag gerne die Gesellschaft von Pistazien, Mandeln und Johannisbrotbaum.

                                                                                       Mandel- und Pistazienbäume

Vermehrung
Wilde Oliven vermehren sich durch Vögel, die die Früchte fressen. Kulturolivenbäume  werden durch Stecklinge vermehrt, es sei denn, man hat Bäume in der Nähe und kann sich herabgefallende eingetrocknete Oliven holen und diese in nährstoffarmen Substrat zum Keimen bringen. Bemerkenswert finde ich, dass jeder Ast eines Olivenbaumes einer bestimmten Wurzel zugeordnet werden kann. Wird der Ast abgesägt, so vertrocknet der entsprechende Wurzelteil.

OlivenbaumMaida

Baum mit Tischoliven

Arten
Es gibt über 1000 Arten an Oliven allein im Mittelmeerraum, wovon manche in der Verbreitung auf einige Dörfer beschränkt sind. Spanien kultivierte bereits vor rund 500 Jahren etwa 200 Arten, die auch heute noch angebaut werden. Tunesien reklamiert für sich eine Tradition, die bis auf die Phönizier zurückreicht, also um 800 vC und kultiviert ca. 25 Sorten.  Fast alle bekannten Kultursorten stammen vom „Echten Olivenbaum“ bzw. „Europäischen Olivenbaum“ (Olea europaea L. subsp. europaea) ab.

Man unterscheidet zwischen Tischoliven und Oliven für die Ölgewinnung.
Oliven fürs „Zeet Zeetun“ (Öl der Olive) gibt in Tunesien vor allem die südtunesische Chemlali, die sehr widerstandsfähig ist  und wenig Wasser braucht. Das Öl schmeckt sanft bis kräftig mit einer Spur „grüne-Mandeln“-Geschmack. Die zweithäufigste Sorte in Tunesien ist die Chetoui, die mehr im Norden angebaut wird und deren Öl fruchtig-bitter schmeckt.
Weitere Olivensorten für die Ölproduktion sind Zalmati, Zarrazi, Chemchali, Queslati, El Horr, Gerboui, Toffehi, Fakhari, Jemri und noch einige mehr.

Links oben: Sahli, rechts oben: Sahli-Gafsi, links unten: Gafsi, rechts unten Gafsi-Chimlali

Sorten für die Tischoliven (auf tunesisch: Olive maida) gibt es weniger: im Norden Meski und Besbessi, im Süden Tounsi und Chemlali. Tischoliven erreichen ein Gewicht von 7-10 g, während Öl-Oliven teilweise nur 1,2 g bis knapp 3 g wiegen.

Links: Maida, rechts: Gafsi-Tounsi

Ein kleiner Exkurs:
Wann kam das Olivenöl nach Deutschland? Olivenöl war noch in den 1960er Jahren in Deutschland ziemlich unbekannt, ebenso wie Schafskäse, Auberginen oder Zucchini und manches mehr. Meine Mutter konnte sich nie mit dem Öl anfreunden und hat auch nie damit gekocht. Meine ersten schwarzen Oliven, zusammen mit Schafskäse, Tomaten, Fladenbrot und Olivenöl aß ich 1973 bei türkischen Zuwanderern in Konstanz am Bodensee. Ich war fasziniert von dem Geschmack und diese Kombination liebe ich bis heute.

Kochen mit Olivenöl
Nicht jeder in Tunesien kann sich ohne weiteres Olivenöl leisten!
Dieser Fakt ist für manche sicher neu und verwunderlich, aber das Öl ist hier mit 3-7 Dinar (1-2,50 Euro/liter) im Vergleich zum durchschnittlichen Monatsverdienst von 300-400 Euro (Mindestlohn 111 Euro/Monat bei 40Std-Woche) auch recht teuer.
Zum Braten und Frittieren wird daher grundsätzlich „Zeet sangu“ (von franz. sans gout, ohne Geschmack, meist Maisöl, manchmal Sonnenblumenöl) oder auch „Zeet häkim“ genannt, verwendet. Manche nehmen das hochwertige Olivenöl nur „zum Essen“, d.h. in ein Schälchen gegossen, mit Baguette oder Weißbrot aufgetunkt. Manche nur für spezielle Gerichte wie Megli. Selbst für Couscous wird nicht von allen Köchinnen Olivenöl verwendet.
In den Großfamilien wird das Olivenöl zentral verwaltet und jeder Haushalt muß sich seine Flasche auffüllen lassen. So wird gleich kontrolliert, wer sparsam damit umgeht oder wer der Luxuskocherei frönt – wie ich zum Beispiel ! – ich habe jetzt nicht viel Vertrauen in das billige Bratfett und wer sich mit Fetten und Ölen etwas auskennt, wird das nachvollziehen können. In Tunesien wird sehr ölreich gekocht und meine Devise ist: wenn schon soviel Öl, dann ein gutes! Butter – „sibda“ ist selten und teuer, und noch mehr das Butterschmalz „samna“.

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von links: Sahli, Gafsi, Maida

Allerdings braucht man schon eine Menge Bäume, um den Bedarf von großen Familien zu decken. Ein Baum gibt (je nach Sorte und Bewässerung) durchschnittlich 50-100 kg Oliven und diese wiederum ergeben 5-10 liter Olivenöl. Und 3-5 Liter verbrauche ich mindestens im Monat im Vierpersonen Haushalt. Da die meisten Haushalte hier größer sind, wird mit 40-bis 60 Liter pro Haushalt und Jahr kalkuliert.
Gute Ölqualitäten entstehen ausschließlich durch mechanische Pressung, mindere Qualitäten durch Zerhacken, Vermischen mit Wasser und anschließender hydraulischer Pressung oder, noch schlechter, durch Zusatz von chemischen Lösungsmitteln. Die Pressrückstände werden von der Industrie weiter verarbeitet. Aus Kernen und Trester kann Biobrennstoff hergestellt werden, eine Art Olivenkern-Pellets. Desweiteren werden die Rückstände auch für Medizin und Kosmetika verwendet. Jetzt wißt Ihr also, was im „Olivenölshampo“ oder in der „Olivenöl-Bodylotion“ drin ist.

Sahli

Kocheigenschaften
Olivenöl ist relativ stabil, auch hitzestabil durch den Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren. Ein hoher Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren macht ein Öl instabil und läßt es schnell ranzig werden, auch wenn man das Ranzige nicht riecht und nur selten schmeckt. Olivenöl enthält zwar im Schnitt nur 14 g gesättigte Fettsäuren und 86 g ungesättigte. Aber von den ungesättigten sind wiederum 73 g nur einfach ungesättigt, während lediglich 13 g mehrfach ungesättigt sind.
Mit Olivenöl kann man auch braten, der Rauchpunkt liegt bei 130 Grad. Daher ist z.b. einfaches Zwiebel anbraten (oder auch Fleisch und Gemüse) absolut okay, während man zum Frittieren ein hitzestabileres Öl verwenden sollte, um die Entstehung von Schadstoffen zu vermeiden. In den vollen Genuss seiner geschmacklichen und gesundheitsförderlichen Eigenschaften kommt man allerdings am besten bei Rohverzehr. Sehr gut läßt sich vieles durch einfaches Einlegen in Olivenöl haltbar machen.

Kosmetik aus Olivenöl
Im Zweifelsfalle selber machen, dann weiß man was drin ist. Olivenöl ist auf alle Fälle nicht nur innerlich gesund, sondern auch gut für die Haut und um die Haare zu ölen, die bei der hiesigen Hitze, dem sandhaltigen Wind und der extremen Sonneneinstrahlung mit den höchsten UV Werten sehr in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn man nicht ständig Kopftuch trägt.
Packungen für Haare, Gesicht oder Hände sind pflegend bei sehr trockener und strapazierter Haut. Für Gesichtsmasken kann man Öl mit Eigelb und Zitrone mischen. Für ein Ganzkörperpeeling rührt man Zucker und Öl oder Salz und Öl zusammen. Zum Verschenken vielleicht noch ein paar zusätzliche Tropfen Duftöl dazumischen.
Zum Ölziehen, einem vor allem in Indien genutzten Hausmittel gegen Zahnfleischprobleme und Mundgeruch, nutzt man die Fähigkeit des Olivenöls,  übelriechende Substanzen zu binden und Bakterien zu hemmen. Für Ölziehen nimmt man einen Esslöffel Öl auf nüchternen Magen, schluckt es aber nicht, sondern zieht es durch die Zähne und bewegt das Öl im Mund so lange es geht, wenn möglich bis 20 Minuten. Danach ausspucken, ausspülen und Zähne putzen.

Olivenöl für die Gesundheit im Allgemeinen
Die Bitter- und Schärfestoffe sollen die entzündungshemmede Wirkung hervorbringen. Olivenöl senkt den schlechten Cholesterinwert (LDL) und hebt gleichzeitig den guten (HDL). Desweiteren enthält Olivenöl viele Antioxidantien und hält den Blutdruck niedrig.
Nicht umsonst gilt die „Mittelmeer-Diät“ als die gesündeste. Sie enthält neben Olivenöl vor allem viel Gemüse. Allerdings verstehen manche unter Mittelmeerdiät eher die „Spaghetti- und Eis“-Variante, was dem Blutdruck aufgrund des enthaltenen Zuckers und der Stärke eher weniger zuträglich ist.

Weitere Nutzung des Olivenbaums
Muss ein Olivenbaum gefällt werden, weil er von Schädlingen befallen ist oder einfach nicht mehr ergiebig ist, ist er doch weiterhin nützlich. Aus dem  Holz werden Möbel, Küchengeräte (Schüsseln, Löffel, Bretter etc) und sogar Blockflöten hergestellt. Was nicht auf diese Weise verwertbar ist, wird zu Holzkohle verarbeitet.

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Oliven mit Olivenzange aus Olivenholz

Herbst

Es ist November und die ersten Olivenernten werden schon eingefahren. Uns ist das Öl zum Kochen ausgegangen, die letzten 20 liter hab ich mit nach Deutschland genommen. Jetzt mußten wir tatsächlich welches kaufen. Nicht im Supermarkt versteht sich, sondern direkt in der Ölmühle. Dort kann man wie bei uns in der Apfelmosterei die eigenen Äpel anliefern, hier eben die eigenen Oliven und bekommt das eigene Öl. Oder man verkauft es der Ölmühle. Das neue Öl ist grasgrün und riecht frisch. Unsere eigenen Oliven sind noch nicht ganz so weit.

 

 

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